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Sonderketten ermöglichen präzise Ausrichtung eines hochmodernen Teleskops auf La Palma.

Das Tscherenkow-Teleskop LST-1 auf der Kanarischen Insel La Palma ist eine der modernsten Empfangsanlagen für Gammastrahlen, die von fernen Galaxien über viele Millionen Lichtjahre zu uns gelangen und auf die Erdatmosphäre treffen. Mithilfe des Hightech-Teleskops erhoffen sich die Astroforscher neue Erkenntnisse über die energiereichsten Prozesse des Universums wie supermassive schwarze Löcher oder Supernovae. Eine der Herausforderungen für das Teleskop ist die Erforschung sogenannter Gammastrahlenausbrüche (GRB), deren Ursprung bis heute ungeklärt ist. Die Energie, die von einem solchen Gammablitz ausgeht, ist Millionen Mal stärker als von einer Supernova.

Dabei sind GRB extrem kurzlebige Ereignisse, die meist nur wenige Sekunden dauern, allerdings mit großen Schwankungen: Manche der GRBs leuchten bis zu etwa einer Minute, manche nur Bruchteile einer Sekunde. Das LST-1 soll die länger leuchtenden GRB beobachten. Dafür muss das Teleskop mit seinen 115 Tonnen Gewicht innerhalb kürzester Zeit präzise auf jede Himmelsposition ausgerichtet werden können. Für die vertikale Ausrichtung des Teleskops entwickelte Wippermann die Komponenten für eine enorm robuste wie auch exakt arbeitende Antriebslösung.

Aufgabe:

Das 2021 in den Regelbetrieb genommene Tscherenkow-Teleskop LST-1 (Large-Sized Telescope) auf der Kanarischen Insel La Palma ist das erste von weltweit acht großen Gammastrahlungsteleskopen der neuesten Generation, die im Rahmen des internationalen CTA-Observatoriums (Cherenkov Telescope Array) an zwei Standorten (auf La Palma und in Chile) gebaut werden. Das Observatorium wird außerdem 30 bis 40 Zwölf-Meter-Teleskope und bis zu 70 Drei-Meter-Teleskope einschließen. Mit einem Spiegeldurchmesser von 23 Metern und einer Gesamthöhe von 46 Metern ist das LST-1 das größte Teleskop in diesem Projekt. Die Herausforderungen: Um die sehr kurzlebige Gammastrahlung detektieren zu können, muss das Teleskop innerhalb von nur 20 Sekunden mit höchster Präzision auf jeden Himmelspunkt ausgerichtet werden können. Der hierfür benötigte Antrieb für die vertikale Ausrichtung lag in der Verantwortung von Wissenschaftlern und Technikern des Max-Planck-Instituts für Physik in München. Schon in einer frühen Konzeptionsphase kamen die Planer auf den Kettenspezialisten Wippermann zu, um eine geeignete Antriebslösung für die vertikale Ausrichtung zu finden. Die Rahmenfaktoren für das beeindruckende Lastenheft:

Robustheit

  • Auslegung auf Gesamtgewicht von über 50 Tonnen Spiegelgewicht und Übertragung enormer Drehmomente
  • Höchste Verschleißfestigkeit für minimale Wartungsintervalle
  • Beständigkeit gegen Temperaturen zwischen –25 °C bis +40 °C

Präzision

  • Hohe Verfahrensgeschwindigkeit (maximal 20 Sekunden bis in jegliche Position)
  • Höchste Präzision mit Ausrichtungsgenauigkeit < 14 Winkelsekunden (0,0038°)
  • Schlupffreies Verfahren des empfindlichen Teleskops

Lösung:

Aufgrund des hohen Teleskopgewichts sowie der geforderten Ausrichtungsgenauigkeit bot sich ein tangentialer Antrieb in Form einer Triebstockausführung an. Hierbei ist die Kette zur sicheren Aufnahme der hohen Kräfte wie eine Zahnstange fest am Antriebsbogen des Teleskops verschraubt.

Da ein Kettenwechsel konstruktionsbedingt nur mit sehr hohem Aufwand möglich ist, muss diese extrem verschleißarm und äußerst langlebig ausgelegt sein. Hinsichtlich der Ketten und Kettenräder war deshalb eine individuelle, maßgeschneiderte Sonderlösung gefragt, die die Anforderungen an Belastbarkeit und Verschleißfestigkeit für diese Höchstlast-Anwendung zuverlässig erfüllt. Wippermann entwickelte für den Einsatz an dem imposanten Gamma-Teleskop sowohl eine Sonderkette auf Basis der Zweifach-Rollenkette D652 (32B-2) nach ISO 606 als auch vier speziell abgestimmte Kettenräder: Mit einem eigens abgestimmten Wärmebehandlungsprozess erhielten die Antriebsprodukte eine hohe Oberflächenhärte und somit beste Verschleißfestigkeit für eine lange Lebensdauer.

Hochpräzises Verfahren ohne Schlupf dank perfekt abgestimmtem Triebstock-Antriebssystem

Eine weitere Herausforderung war die Präzision des Triebstockantriebs: Das empfindliche Teleskop-System aus dem 400 Quadratmeter großen Parabolspiegel und den 2.000 Fotodetektoren muss jederzeit schlupffrei bewegt werden. Und: Die Astroforscher benötigten eine Justierungsgenauigkeit von < 14 Winkelsekunden. Zur Orientierung: Eine Winkelsekunde ist der 3.600ste Teil von einem Grad. Hier galt es für die Antriebsspezialisten von Wippermann, Zweifach-Rollenkette und Kettenräder absolut perfekt aufeinander abzustimmen.

Ein wesentlicher Aspekt für Schlupffreiheit und Präzision ist die perfekte Triebstockverzahnung der Kettenräder, die einen formschlüssigen Antrieb ohne Umschlingung ermöglicht. Hierfür wurde eine spezielle Zahngeometrie der Kettenräder durch das Engineering von Wippermann berechnet und die präzise Fertigung mit engsten Toleranzen auf einer hochmodernen CNC-Maschine vorgenommen. So entstand dank der Beratungs- und Fertigungskompetenz des Kettenspezialisten Wippermann ein äußerst leistungsfähiges Antriebssystem für diesen ungewöhnlichen Einsatzzweck. Auch weitere Teleskope sind bereits mit dieser Antriebslösung von Wippermann geplant. Damit die weltweit an dem CTA-Observatorium beteiligten Astrophysiker in Zukunft ganz exakt hinschauen können: auf aktive Galaxiekerne, Supernovae, Pulsare, schwarze Löcher und andere Phänomene im All.

Fotos: Max-Planck-Institut für Physik München

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Dr. Jakob Küpferle
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Martin Kiehne
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